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Das Erbrecht: Definition, Inhalt und Regelungen

Früher oder später stellt sich für jeden oder fast jeden Menschen die Frage nach dem Umgang mit dem Nachlass eines Familienangehörigen oder einer anderen nahestehenden Person bzw. nach der Regelung des eigenen Nachlasses.

Das deutsche Erbrecht ist geregelt im Bürgerlichen Gesetzbuch und stellt eine der interessantesten, aber auch schwierigsten, in jedem Fall aber eine der wirtschaftlich bedeutendsten Rechtsmaterialien dar. Jährlich werden in Deutschland Milliarden von Euro vererbt.

Erben heißt die (universelle) Rechtsnachfolge eines Verstorbenen antreten. Das bedeutet: Der Erbe tritt in sämtliche vom Erblasser innegehaltenen Rechtspositionen (Verträge etc.) ein. Ausgenommen sind lediglich solche Rechtsverhältnisse, die höchstpersönlicher Natur sind (zum Beispiel die Ehe).

Die Entscheidung darüber, wer Erbe wird, trifft entweder der Erblasser (also denjenigen, der etwas vererbt) selbst, oder das Gesetz. Die Möglichkeiten, seine Rechtsnachfolge zu bestimmen, bestehen heute im Wesentlichen darin, ein Testament zu errichten oder einen Erbvertrag zu schließen. Letzteres ist ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, in denen sich der Erblasser bereits zu Lebzeiten verpflichtet, seinen Nachlass einer bestimmten Person zu vermachen. In der täglichen Praxis spielt der Erbvertrag gegenüber dem Testament eine nachgeordnete Rolle. Deswegen soll in diesem Beitrag auch weniger zum Erbvertrag ausgeführt werden.

Die gesetzliche Erbfolge nach dem deutschen Erbrecht

Hat der Erblasser keinen eigenen Willen über seine Rechtsnachfolge gefasst oder geäußert, tritt die sogenannte gesetzliche Erbfolge ein. Diese regelt den Anfall der Erbschaft nach sogenannten Ordnungen.

Die Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers, also dessen Kinder und Kindeskinder. Die Erben zweiter Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. In dieser Ordnung kommen also die Geschwister und deren Kinder zum Zuge. Die Erben dritter Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und wiederum deren Abkömmlinge. Die Erben höherer Ordnung (zweiter usw.) sind erst dann als Erben berufen, wenn keine Erben früherer Ordnung vorhanden sind (oder diese ausgeschlagen haben). Innerhalb einer Ordnung wird nach dem sog. Stammprinzip vererbt, d.h. Ältere schließen jüngere aus. Die Enkelkinder des Erblassers treten erst dann in Erscheinung, wenn deren Elternteil, der vom Erblasser abstammt, aufgrund Vorversterbens oder Ausschlagung nicht Erbe wird.

Neben diesen Erben erster usw. Ordnung gibt es immer das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten. Dieses beträgt neben den Erben erster Ordnung ein Viertel. Leben die Ehegatten im Zeitpunkt des Erbfalles (Zeitpunkt des Versterbens) im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so erhöht sich der Erbteil des überlebenden Ehegatten automatisch und pauschal um ein weiteres Viertel. Der Ehegatte erbt also neben den Erben erster Ordnung zu ein halb.

Neben den Erben zweiter Ordnung erbt der Ehegatte zur Hälfte, im Falle des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft also zu Dreiviertel.

Erben mehrere Personen, gleichviel mit welcher Quote am Nachlass beteiligt, bilden sie eine Erbengemeinschaft. Das bedeutet, dass über zum Nachlass gehörende Gegenstände nur gemeinschaftlich, d.h. mit Zustimmung aller verfügt werden kann. In Ausnahmesituationen kann ein Erbe auch allein für die Erbengemeinschaft handeln.

Die gewillkürte Erbfolge

Testament

Möchte der Erblasser die Rechtsnachfolge nach seinem Tode selbst regeln, wird er hierfür in aller Regel ein Testament errichten. Jeder Erblasser ist in der Entscheidung darüber, wer sein Erbe werden soll, grundsätzlich frei. Einschränkungen dieser sogenannten Testierfreiheit ergeben sich lediglich unter dem Aspekt des Pflichtteilsrechtes (dazu später mehr).

Ein Testament ist im Idealfall die Aussage des Erblassers, wer sein Erbe werden soll. Sollen mehrere Personen Erben werden, empfiehlt es sich, diese mit entsprechenden Quoten oder Prozentzahlen einzusetzen. Hinterlässt der Erblasser ein Schriftstück, mit dem einzelnen Personen bestimmte Nachlassgegenstände zugewendet werden sollen und enthält dieses Testament keine ausdrückliche Erbeinsetzung, so ist der Wert der im einzelnen zugewendeten Gegenstände darüber entscheidend, wer Rechtsnachfolger und damit Erbe des Erblassers werden soll.

Ein Testament ist entweder handschriftlich vom Erblasser selbst zu errichten oder notariell zu beurkunden. Die notarielle Beurkundung hat den Vorteil, dass der Notar den Testierenden zuvor nach seinen Wünschen und Vorstellungen in der Regelung der Rechtsnachfolge befragen und dementsprechend auch rechtlich beraten kann. Eine solche Beratung kann jedoch auch von jedem Rechtsanwalt vorgenommen werden. In unserer Praxis halten wir es so, dass wir ein nach den individuellen Wünschen des späteren Erblassers zu errichtendes Testament entwerfen und dieses sodann vom Testator selbst geschrieben wird.
Werden im Testament Personen, die an sich gesetzliche Erben wären, nicht bedacht, sondern als Erben andere Personen bestimmt, liegt eine sog. Enterbung vor.

Handelt es sich bei diesen gesetzlichen Erben um die Abkömmlinge des Erblassers (Kinder und Kindeskinder), so sind diese pflichtteilsberechtigt.

Nottestament

Es kann vorkommen, dass der Erblasser keine Möglichkeit hat, um sein Testament wie oben beschrieben aufzusetzen. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn sein Ableben unmittelbar bevorsteht und in der ihm verbleibenden Zeit kein Notar mehr aufgesucht oder hinzugezogen werden kann.

Befindet sich der Erblasser an einem Ort, der aus gesetzlichen Gründen abgesperrt oder dergestalt unzugänglich ist, dass ein Notar zur Beglaubigung nicht hinzugezogen werden kann, ist die Errichtung eines regulären Testaments ebenfalls nicht möglich.

Trifft einer dieser Fälle zu, kann entweder vor dem örtlichen Bürgermeister oder vor drei Zeugen ein so genanntes Nottestament errichtet/aufgesetzt werden. Dies muss schriftlich festgehalten werden. Auf hoher See ist die Errichtung eines Nottestamentes ebenfalls zulässig, wenn diese an Bord eines deutschen Schiffes erfolgt.
Nottestamente haben eine Gültigkeitsdauer von drei Monaten, ausgehend von dem Beginn ihrer Errichtung. Voraussetzung ist dabei, dass der Erblasser noch lebt.

Erbvertrag

Will man die Regelung seines Nachlasses bereits abschließend und für alle Beteiligten verbindlich zu Lebzeiten regeln, empfiehlt es sich einen Erbvertrag zu schließen. Ein solcher ist notariell zu beurkunden und kann von jedermann errichtet werden.

Hierdurch ist es möglich, nicht nur die erbrechtlichen Ansprüche selbst, sondern auch korrespondierende Ansprüche, zum Beispiel den Pflichtteil, zu regeln.

In einem Erbvertrag kann all das enthalten und geregelt sein, was auch Gegenstand eines entsprechenden Testamentes sein könnte.

Der Erblasser (im Falle eines Erbvertrags „Vertragserblasser“ genannt) bindet sich auf gewisse Weise an seine Vertragserben. Wenn der Erblasser nämlich zu seinem Lebzeiten Teile seines Vermögens oder Besitzes an dritte Parteien verschenkt, können diese nach seinem Ableben von den Vertragserben zurückverlangt werden.

Erbrecht und Testament

Der Pflichtteil

Der Pflichtteil ist ein Kompensationsanspruch, die dem Erblasser verwandtschaftlich nahestehenden, aber nicht Erbe gewordenen Personen (siehe Testament, Enterbung) zusteht.

Es handelt sich hierbei um einen Anspruch in Geld (in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteiles). Der Anspruch richtet sich gegen die Erben.

Damit der Pflichtteilsberechtigte die Höhe seines Anspruches beziffern kann, hat er gegen den oder die Erben einen Auskunftsanspruch über die Höhe und die Zusammensetzung des Nachlasses. Der Erbe schuldet nicht nur Auskunft, sondern im Zweifel auch Wertermittlung. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn zum Nachlass Grundstücke gehören, die nicht in relativer zeitlicher Nähe zum Erbfall veräußert werden. Ist dies der Fall, so gilt der Wert des Erlöses auch als Wert im Zeitpunkt des Erbfalles. In allen anderen Fällen wird man um eine Begutachtung des Grundstückes kaum umhin kommen. Die Kosten der Wertermittlung fallen wiederum dem Nachlass zur Last und sind bei der Berechnung des Pflichtteils entsprechend zu berücksichtigen.

Bei der Berechnung des Pflichtteils sind laut Erbrecht die Schulden des Erblassers und die Erbfallkosten zu berücksichtigen. Letztere fallen insbesondere mit der Beerdigung und diese begleitenden Kostenpositionen an.

Hat der Pflichtteilsberechtigte Zweifel daran, dass der Erbe vollständig und richtig Auskunft erteilt hat, so besteht die Möglichkeit, dass der Erbe seine Auskunft an Eides statt versichert. Liegt danach eine falsche oder fehlerhafte Auskunft vor und war dies dem Erben bekannt, so hat dieser sich strafbar gemacht.

Laut dem Erbrecht verjährt der Pflichtteilsanspruch innerhalb von drei Jahren. Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Erbfall eintritt und der Pflichtteilsberechtigte von der Entstehung seines Anspruches Kenntnis erlangt.

Ausschlagung

Wer als Erbe berufen ist (aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder Testament) aber nicht Erbe werden möchte, hat die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen. Hierfür besteht eine Frist von sechs Wochen, die mit der Kenntnis vom Erbfall und dem Anfall der Erbschaft zu laufen beginnt. Die Ausschlagung kann entweder bei jedem Notar oder in der Geschäftsstelle des Nachlassgerichtes erklärt werden.

Nach Ablauf der sechs Wochen Frist gilt die Erbschaft automatisch als angenommen.

Anfechtung

Nicht selten kommt es vor, dass der Erbe innerhalb dieser sechs Wochen sich noch keine Übersicht über den Umfang und die Zusammensetzung des Nachlasses verschaffen kann. Möglich ist auch, dass sich Gläubiger des Erblassers erst lange nach dem Erbfall beim Erben melden.

In diesen Fällen hat der Erbe laut Erbrecht die Möglichkeit, entweder seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken oder die aufgrund des Verstreichenlassens der Ausschlagungsfrist erfolgte Annahme anzufechten. Auch für die Anfechtung besteht eine Frist von sechs Wochen ab Kenntnis der die Anfechtung begründenden Tatsachen, hier also die Überschuldung des Nachlasses.

Erbschein

Steht die Annahme der Erbschaft fest, kann es in bestimmten Fällen erforderlich sein, einen Erbschein zu beantragen. Hierdurch wird die Erbenstellung für den Rechtsverkehr verbindlich ausgewiesen. Allerdings ist zu bemerken, dass ein Erbschein niemanden zum Erben macht, der es nach der objektiven Sachlage gar nicht ist.

Beispiel: Das Amtsgericht erlässt einen Erbschein auf der Grundlage der gesetzlichen Erbfolge, und erst später taucht ein Testament auf, wonach der Erblasser eine ganz andere Erbfolge bestimmt hat. In diesem Falle ist das Testament maßgeblich und der Erbschein als fehlerhaft einzuziehen.

Das Erfordernis eines Erbscheines ist immer dann gegeben, wenn Umtragungen im Grundbuch vorgenommen werden sollen, die Rechtsnachfolge in mehreren aufeinander aufbauenden Erbfällen oder die Erbenstellung gegenüber Behörden oder Banken nachgewiesen werden muss. Bei Banken ist hierbei häufig aber auch die Vorlage des Testamentes (in beglaubigter Kopie) – soweit vorhanden – ausreichend.

Die Beantragung des Erbscheines erfolgt beim Amtsgericht, Nachlassabteilung, oder durch notarielle Beurkundung.

Hinterlegung

Nach Errichtung des Testamentes stellt sich häufig die Frage: Wohin damit? Die sorgfältige Aufbewahrung ist wichtig, um das Auffinden zu ermöglichen und dem Erblasserwillen zur Geltung zu verhelfen.

Hierfür kann es laut Erbrecht schon ausreichend sein, seinen Angehörigen oder denjenigen über das Testament zu unterrichten, der darin bedacht ist. Falls man das nicht möchte, auf ein „zufälliges“ Auffinden aber nicht vertrauen will, besteht die Möglichkeit, das Testament beim Nachlassgericht zu hinterlegen.

Das hat wenigstens zwei Vorteile. Zum einen kann das Testament praktisch nicht verloren gehen und zum anderen wird es automatisch („von Amts wegen“) bei Bekanntwerden des Sterbefalles eröffnet, d.h. die betroffenen Personen informiert. Dies ist möglich, weil das Geburtsstandesamt, das alle personenstandsrechtlich relevanten Vorfälle („Von der Wiege bis zur Bahre…“) registriert, eine automatische Mitteilung über den Todesfall an das Hinterlegungsgericht gibt.

Erbschaftssteuer

Der Erhalt eines Erbes (und auch von Schenkungen) ist steuerpflichtig. Die jeweiligen Erwerber werden in drei Steuerklassen eingeteilt.

  • In Steuerklasse I finden sich der Ehegatte und Lebenspartner, die Kinder und Enkelkinder sowie die Eltern und Vorfahren der Eltern, (juristisch auch Voreltern genannt).
  • In Steuerklasse II finden sich die Geschwister des Erblassers sowie deren Abkömmlinge ersten Grades, also Nichten und Neffen, die Stiefeltern, Schwiegerkinder und Schwiegereltern.
  • Alle anderen Erwerber gehören in die Steuerklasse III.

Nach dem Grad der Verwandtschaft gestaffelt genießen die Erwerber Freibeträge in unterschiedlicher Höhe. Das bedeutet, dass diese Beträge nicht versteuert werden müssen.

  • Die Ehegatten und Lebenspartner können aktuell einen Freibetrag von 500.000 € geltend machen.
  • Kinder genießen Freibeträge in Höhe von 400.000 €.
  • Enkelkinder haben noch 200.000 €, die übrigen Personen der Steuerklasse I 100.000 €.
  • Personen der Steuerklassen II und III können derzeit einen Freibetrag von 20.000 € geltend machen.

Die Steuergesetze, mit denen der Erwerb zu versteuern ist, sind gestaffelt von 7 % bis 50 %. Hierbei gibt es eine Abstufung sowohl in den Steuerklassen als auch nach dem Wert des Erwerbs. Beispiel: Ein Erwerb bis 75.000 € wird in der Steuerklasse I mit 7 %, in der Steuerklasse II mit 15 % und in Steuerklasse III mit 30 % versteuert.

Anwaltliche Beratung

Die Konsultation eines Rechtsanwalts (im Rahmen einer Rechtsberatung) kann für manche Aspekte des Erbrechts hilfreich sein. Rat und Tat erhalten sie zum Beispiel in folgenden Fragen:

  • Errichtung des Testaments
  • Abklärung der Erbrechte bei gesetzlicher Erbfolge
  • Geltendmachung erbrechtlicher Ansprüche
  • Ansprüchen aus Pflichterbteilen
  • Auseinandersetzungen von Erbgemeinschaften

Die Rechtsmaterie ist in vielerlei Hinsicht kompliziert. Auch die rechtliche Beurteilung ist oft abhängig von Sachverhaltsvarianten und -gestaltungen, die der Laie unmöglich (er-)kennen kann. Um zu vermeiden, fehlerhafte Schritte zu veranlassen, oder wertvolle Ansprüche liegen zu lassen“ empfiehlt sich eine fachkundige Beratung.